Vincents Tagebuch

Jugendglühen

von | 28. Juni 2024 | Allgemein

Ach, das Schießtalfreibad in Schwäbisch Gmünd, das nun Bud Spencer-Freibad heißt, weil der italienische Haudrauf mit abgeschlossenem Jurastudium mit Doktortitel dort 1951 einen Länderkampf Deutschland gegen Italien bestritt. Bud Spencer war dabei. Und deshalb jetzt der Name des Bades, dies aber auch weil er einen edlen Charakter hatte und als Filmstar niemals aus dem Gleis geriet. 2016 ist er gesstorben und sein letztes Wort war “Grazie”.

Davon wußte ich als Pubertierender gar nix, als ich im Gmünder Freibad die riesige Umkleidebaracke aufsuchte. In den Kabinen roch es nach sonnendurchglühtem Holz, nach Badeöl und Urlaub. Ein kleiner See glitzerte für Unerschrockene, für Naturoldies, die sich stoisch durch die Algen wühlten. Die Jugend amüsierte sich lieber am Fünfzigmeterbecken und dort saß Vincent als “Lonely Cowboy” und sinnierte, wie es wohl unter den Badeanzügen der Mädchen aussah. Dann gewahrte ich ein MilchundBlutmädchen auf langen Beinen, das mit wehend schwarzen Haaren einen Köpfer vom Dreimeterbrett veranstaltete. Welche Verwegenheit, und wie eine Diva war sie Ihrer Performance voll bewußt. Alles glotzte und ich verliebte mich schlagartig in sie. Die darauffolgenden Tage trabte ich erwartungsvoll ins Freibad. Vergebens. Tag für Tag gerieten meine Gedanken immer mehr zum Kochen. Gegen Ende der Ferien sah ich sie wieder, mir brannte fast die Sicherung durch, und ich wollte mir ein Herz fassen, das dann kurz vor dem Sprung des Tigers, als kläglicher Showdown auf meinem Badetuch endete. Ich traute mich einfach nicht.

Anderntags ging die Reise wieder zurück ins Internat und ich hatte im Kopf meine Göttin, die mir immer vertrauter wurde. Um diese ausufernde Phantasie beneide ich mich heute immer noch. Ich baute mir die Traumfrau in meinem Hirn zusammen. Bis die nächsten Ferien mich beglückten war ich sozusagen verheiratet. In den Herbstferien hatte das Freibad wegen kaltem Wetter bereits geschlossen und alle mentalen Befehle versagten um meine Angebetete herbeizitieren zu können. Mein Zimmerkamerad im Internat hatte sich auch eine Maid angelacht und als er gestand, dass sie erst zwölf Jahre alt war, musste ich schon schwer grinsen. Ganz klar, dass es für meinen Kumpel nie “zum Äußersten” gekommen war. Er meinte auch, er könne warten. Da musste ich ihm beipflichten, denn es ist ja allgemein bekannt, dass Jugend ein Fehler ist, der sich von Tag zu Tag bessert.